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liliacea

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Joined 6 months, 1 week ago

Mostly reading in German and English. Languages I am trying to learn/improve: French, Russian, Spanish

Interested in climate and ecology, philosophy, science-fiction and poetry. And a lot else.

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Sacha Bourgeois-Gironde: Wie uns das Recht der Natur näher bringt (Paperback, Deutsch language, 2023, Matthes & Seitz)

Die vom Klimawandel hervorgerufenen massiven Phänomene neigen dazu, jede Form der Domestizierung und Humanisierung der Natur zu untergraben: Es gibt keine stabilen Küsten und Ufer mehr, der Boden weicht auf. Bei den Inuit in Ilulissat in Grönland erlebt man das außersaisonale Auftauen des Schnees als Verlust des Bodens, auf dem Leben und Fortbewegung stattfinden. Darin liegt der Verlust einer unmittelbaren Verbindung zwischen der Gewissheit einer Beziehung zum Boden, den Bedürfnissen des Überlebens sowie der Regelmäßigkeit von Wetterereignissen und einem klimatischen Prozess. Mir scheint, dass diese Erfahrung des Verlusts des Bodens immer häufiger wird. Bei der aktuellen Lage der Dinge kann die grundsätzliche Stabilität von Grund und Boden nicht mehr eine selbstverständliche Voraussetzung des Rechts bilden; wir müssen die Eigentumsrechte neu als Moment eines Prozesses denken, der andere Momente und andere Ereignisse umfasst, die mit dem Meer, dem Himmel und letztlich mit der Erde zu tun haben, die mit jenen konsubstanziell ist.

Wie uns das Recht der Natur näher bringt by  (Fröhliche Wissenschaft, #222) (Page 84)

Sacha Bourgeois-Gironde: Wie uns das Recht der Natur näher bringt (Paperback, Deutsch language, 2023, Matthes & Seitz)

Allgemeiner lässt sich hier jedoch der Gedanke formulieren, dass wir einen Moment erreichen, wo wir die Logik umkehren müssen: Nicht mehr die terrestrischen Paradigmen sollten unsere Ausgestaltung des Seerechts anleiten, sondern wir sollten umgekehrt das Recht des Grundbesitzes in maritimen Begriffen neu denken. Nicht mehr das Meer fixieren, sondern umgekehrt das Land als ein sich langsam bewegendes Meer sehen, ein mobiles, fluktuierendes Element, dessen Bewegung sich unter dem Einfluss des Klimas beschleunigt.

Wie uns das Recht der Natur näher bringt by  (Fröhliche Wissenschaft, #222) (Page 81 - 82)

Bruno Latour: Kampf um Gaia No rating

Wenn es keinen Rahmen, kein Ziel, keine Leitung gibt, müssen wir GAIA als Namen für den Prozeß auffassen, durch den variable und kontingente Möglichkeiten die Gelegenheit erhielten, spätere Ereignisse wahrscheinlicher zu machen. In diesem Sinn ist GAIA ebensowenig ein Produkt des Zufalls wie der Notwendigkeit. Was bedeutet, daß sie sehr dem ähnelt, was wir schließlich als die Geschichte selbst wahrnehmen.

Kampf um Gaia by  (Page 187)

Je weiter ich lese, desto mehr sehe ich ein, wie sehr die These von Gaia als Lebewesen in ihrer Rezeption oft und auch von mir missverstanden wurde.

Da die moralische Reflexion bei Kant überhaupt erst mit "der" Maxime ansetzt, werden die eigentlichen Grundlagen des Handelns ausgeklammert: wie man sein Tun und Lassen überhaupt versteht, wie man es beschreibt und welche ethischen und moralischen Gesichtspunkte der Bewertung in diese Beschreibung eingehen. Wo man sich in erster Linie als Mitglied einer Volksgruppe, einer religiösen Gemeinschaft oder Familie versteht, wird das, was in einem modernen Rechtssystem unter die Kategorie des Diebstahls fallen würde, eventuell ganz anders beschrieben und bewertet, abhängig davon, ob es in der eigenen Gemeinschaft oder Familie vorkommt oder bei Fremden. Kants Ansatz suggeriert die Möglichkeit, solche Normen unter allgemeingültigen Gesichtspunkten kritisieren zu können, bietet sie aber nicht wirklich an, da er nicht vorschreiben kann, wie detailliert die Beschreibung der Handlungseigenschaften ausfallen darf, die der Maximenbildung zugrunde liegt, was in sie eingehen darf und was nicht. Der kategorische Imperativ eignet sich nicht als Matrix für eine Kritik der Sitten, da er nur die Verallgemeinerbarkeit von Maximen ausdrückt, in die schon gewisse in ihrer Reichweite begrenzte normative Unterscheidungen und Wertungen eingegangen sind.

Scham, Schuld, Verantwortung by  (Page 50 - 51)

Die Arbeit des Moralphilosophen besteht dann darin, eine möglichst konsistente und kohärente Rekonstruktion der Prinzipien zu liefern, die er für richtig hält, wobei er von sogenannten Intuitionen ausgeht, die »wir« angeblich haben (jedenfalls hat sie der Moralphilosoph). »Wir«, das sind zunächst die Menschen, von denen der Moralphilosoph glaubt oder meint, erwarten zu dürfen, dass sie seine Intuitionen teilen; aber da die Ethik, wie gesagt, mehr zu sein beansprucht als lokale Semantik, leitet er aus diesen Intuitionen historisch invariante Prinzipien von universalem Anspruch ab. Nicht wenige Philosophen gehen auch heute noch ganz selbstverständlich davon aus, das Wesentliche an der moralischen Person verstehen zu können, ohne sie in ihren sozialen Lebensbezügen zu betrachten und die eigenen Annahmen in Beziehung zu dem zu setzen, was uns empirische Wissenschaften wie die Altertumswissenschaften, die Ethnologie, die Rechtswissenschaften und andere Kulturwissenschaften über wirkliche ethische Systeme und das Selbstverständnis von Personen lehren können.

Scham, Schuld, Verantwortung by  (Page 10)

Eine so umfassende Kritik in so wenigen präzisen Sätzen. Chapeau!

Roy Scranton: Learning to die in the Anthropocene : reflections on the end of a civilization (2015, City Lights Books)

Coming home from the war in Iraq, US Army private Roy Scranton thought he'd left …

We still need to learn how to die in the Anthropocene I guess

Not so sure about this one. I fail to imagine how it would have been to read this when it was first published in 2015. Now, ten years later, some of it felt quite prophetic, but other parts rather shallow and some of it just proved to be wrong and is outdated now. The challenge to learn how to die, not as individuals but as a civilization, is on point, though. But the language of the book mystified this endeavour for me more than being able to clarify the path.