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Ernst Gombrich: Die Geschichte der Kunst (German language, 1996, S. Fischer, Fischer, Frankfurt) 4 stars

Claude Lorrain war der Erste, der den Menschen die Augen für die Schönheiten der Natur eröffnete, und ein ganzes Jahrhundert nach seinem Tode pflegten Reisende eine wirkliche Landschaft danach zu beurteilen, ob sie den Bildern des Claude ähnelte. Wenn die Aussicht sie an eines seiner Bilder erinnerte, waren sie entzückt und packten ihre Esskörbe aus. Reiche Engländer gingen noch weiter und versuchten, das Stück Natur, das ihnen gehörte, ihre Güter und Landsitze, nach Claudes Vorbild umzumodeln. Was wir den >englischen Garten< nennen, die malerische Verteilung von Baumgruppen über ein liebliches Wiesengelände, stammt letzten Endes von diesem Franzosen, der sich in Italien niedergelassen und sich die Ideale des Carraci zu Eigen gemacht hat.

Die Geschichte der Kunst by  (Page 395 - 396)

Interessante Dinge passieren immer dann, wenn Kulturen im Schmelztiegel landen, oder? Wenn der Schmelztiegel aber vollständig wird, ist alles Lokale verschwunden und übrig bleibt ein globaler Einheitsbrei. Das haben wir heute z.B. bei Autodesign, Barista-Cafe-Design, Architektur und Inneneinrichtung, finde ich. Überall sieht es weltweit gleich aus und lokale Besonderheiten sind kaum noch zu finden.

Und wir lieben am Englischen Garten die Natürlichkeit, oder? Wie wir hier sehen, geht aber das Konzept des Englischen Gartens auf Bilder eines Franzosen zurück, der in Italien lebte und der Schule des Carraci folgte. Ob die Natur in Italien jemals so aussah, wie von Claude Lorrain dargestellt, ist schon zu bezweifeln. In England sah sie ganz sicher nie so aus.