gregorgross quoted Das Treibhaus. by Wolfgang Koeppen
Und wieder saß man in dem Käfig, in den man hineingeboren war, dem Käfig des Vaterlandes, der zwischen anderen Käfigen mit anderen Vaterländern diesmal an einer Stange hing, die von einem der großen Käfig- und Menschensammler weiter in die Geschichte getragen wurde. Natürlich liebte Keetenheuve sein Land, er liebte es so gut wie jeder, der's laut beteuerte, vielleicht sogar mehr noch, da er lange weg gewesen, sich zurückgesehnt und mit dem Sehnen das Land aus der Ferne idealisiert hatte. Keetenheuve Romantiker. Aber er wollte nicht in einem Käfig sitzen, dessen Tür von Bereitschaftspolizei bewacht wurde, die einen nur mit einem Paß hinausließ, um den man den Käfigobersten bitte mußte, und dann ging's weiter, man stand zwischen den Käfigen, dort, wo kein Hausen war, man rieb sich in diesem Stand an allen Gittern, und um in einen anderen Käfig hineinzukommen, brauchte man wieder das Visum, die Aufenthaltsbewilligung von diesem Käfigherrscher. Die Erlaubnis wurde ungern gegeben. In allen Käfigen zeigte man sich über den Rückgang der Bevölkerung besorgt, aber Freue herrschte nur über den Zugang, der aus dem Schoß der Käfigbewohnerinnen kamn, und das war ein furchtbares Bild der Unfreiheit auf der weiten Erde.
— Das Treibhaus. by Wolfgang Koeppen (Page 68 - 69)
Erschienen 1953, beschreibt Das Treibhaus den Zustand der jungen Bundesrepublik und der Welt. Ich fand dieses Bild der Käfige, in denen wir uns befinden, interessant. Denn immerhin, man bekämpfte im 2. Weltkrieg den Nationalismus, nur um gleich danach in ebenjenen zu verfallen. Und dasselbe Gebaren mit Menschen aus anderen Käfigen leisten wir uns auch heute noch, und wahrscheinlich in naher Zukunft noch viel mehr.
